Bericht Online-Veranstaltung "#LandLEBEN | Neue Lebensformen auf dem Land – die Zukunft des Zusammenlebens in Thüringen“

In Thüringen gehören mehr als 90 Prozent der Fläche zum ländlichen Raum, hier leben vier Fünftel der Thüringer*innen. Vor welchen Herausforderungen stehen die ländlichen Räume? Welche Potentiale besitzen sie? Welche Handlungsmöglichkeiten bieten sich für die Landespolitik? Mit unserem Fraktionsbeschluss „Leitlinien für die Zukunft der ländlichen Räume in Thüringen“ (https://www.gruene-thl.de/node/7531) möchten wir als bündnisgrüne Landtagsfraktion unsere Ideen für die grüne Gestaltung der ländlichen Räume in den Diskurs geben und mit Menschen vor Ort ins Gespräch kommen. 

Und genau das hat unsere Sprecherin für die Ländlichen Räume, Babett Pfefferlein, in den letzten Wochen gemacht. Sie hat den Austausch mit Vertreter*innen von Initiativen gesucht, welche vor Ort in ihren Gemeinden Projekte vorantreiben, die beispielhaft für ein vielfältiges Leben im ländlichen Raum Thüringens sind - ob im Bauwesen, Mehrgenerationenwohnen oder alternativen Formen des Zusammenlebens und Arbeitens.

In unserer Online-Veranstaltung „Neue Lebensformen auf dem Land – die Zukunft des Zusammenlebens in Thüringen“ lud Babett Pfefferlein ebendiese Menschen ein. Dabei sprach sie mit ihnen darüber, was sie in ihrem Engagement vor Ort antreibt, welchen Problemlagen sie begegnen und welche Schlussfolgerungen sich für die Landespolitik daraus ergeben. Dazu eingeladen waren Frank Emrich, Verbandsdirektor des Verbands Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, Klaus Römhild, Vorsitzender vom Teilhabe Weißensee e.V., Sven Urland, der im Stadtrat Weißensee sitzt, Karin Weng, Vorsitzende der Kuhmuhne Schönhagen e.V., Tamira Zöller vom Inselhof Dietzenrode sowie Tim Engler und Leon Schleep von der Solidarischen Landwirtschaft – Gemüseinsel Dietzenrode.

Zum Einstieg in die Veranstaltung stellten die Vertreter*innen ihre jeweiligen Initiativen und Projekte vor. Frank Emrich stellte den Verband Thüringer Wohnungs- & Immobilienwirtschaft e.V. vor, der klimafreundliche Pilotprojekte seiner Mitglieder fördert. Dazu gehört auch ein Mehrfamilienhaus aus Holz, das von der Stadtrodaer Wohnungsbaugesellschaft errichtet wurde und vor einigen Wochen von Babett Pfefferlein besichtigt wurde. Bereits vor Ort forderte sie „Mehr Mut zu Holz – auch im Wohnungsbau“ und betonte: „Wir wollen Projekte wie die in Stadtroda fördern. So können neue Marktchancen für Thüringer Unternehmen geschaffen und regionale Kreisläufe geschlossen werden – die Handwerk und Umweltschutz miteinander verbinden“. In seinem kurzen Input unterstrich Frank Emrich, dass es einen Paradigmenwechsel im Wohnungsbau brauche und die Menschen vor Ort zudem stärker in Planungsprozesse eingebunden werden müssten. Weiterhin stellte er heraus: „Es gibt immer mehr Spielregeln und Vorschriften für den Wohnungsbau. Politik muss die Rahmenbedingungen, die sie stellt, jedoch auch unterstützen, bspw. über Fördermittel, der Vereinfachung der Bauordnung oder einem verursachengerechten CO2-Preis.“

Daran anschließend stellte Klaus Römhild vom Verein Teilhabe Weißensee das Projekt vor, das er in Ottenhausen, im Landkreis Sömmerda, umsetzen möchte. Konkret geht es dabei um ein altersgerechtes Wohnkonzept, dass nicht nur Wohnungen für ältere Menschen miteinschließt, die nicht mehr allein wohnen können, sondern auch darauf abzielt Betreuung zu sichern sowie Angebote wie mobile Friseure integriert. Römhild möchte eine Bürgergenossenschaft gründen, die die Wohnungen finanziert, nachhaltige Baumaterialien wie Holz nutzen und dauerhaft niedrige Wohnkosten durch Niedrig-Energiehausstandards ermöglichen. Römhild erklärte: „Wichtig ist mir, dass die soziale und nachhaltige Komponente in dem Konzept vereint sind. Dass ältere Menschen in ihrem Ort leben können und nicht ins Seniorenheim in der Stadt müssen, wäre ein großer Vorteil. Wir hoffen, dass wir das Projekt zeitnah in Ottenhausen umsetzen können.“ Babett Pfefferlein fügte hinzu: „Die Etablierung multifunktional nutzbarer Orte der Daseinsvorsorge in kleinen Ortschaften ist essenziell für das zukünftige Leben auf dem Land. Daher ist es wichtig, Musterprojekte wie diese finanziell zu unterstützen, um so auch einen Impuls für andere Ortschaften zu geben, dem Beispiel zu folgen.“

Karin Weng ist Mitbegründerin der Kuhmuhne Schönhagen e.V.. Diese entstand 1991 durch eine Gruppe von Studierenden, die nach dem Ende ihres Landwirtschaftsstudiums einen Hof in Schönhagen kauften, um dort möglichst autark zu leben. Heute sind aus dem Projekt unter anderem eine Käserei, ein Schaugarten mit mehr als 300 fast vergessenen Nutz- & Zierpflanzen, drei eigenständige Saatgutfirmen sowie eine Tischlerei entstanden. Die Kuhmuhne Schönhagen zeigt: Leben und Arbeiten kann im ländlichen Raum stattfinden und damit auch wichtige regionale Wirtschaftskreisläufe schaffen. Es gilt daher, genau solche Projekte intensiver zu fördern und in der Landespolitik passende Rahmenbedingungen zu schaffen.

Tamira Zöller ist auf dem Inselhof Dietzenrode aufgewachsen. Der Inselhof wurde 1994 als landwirtschaftlicher Betrieb gegründet und wird als Familienbetrieb von Wolfgang Bloier und Ursula Heihoff ökologisch bewirtschaftet. Sie erzählte in ihrem Input vor allem, wie sich der Hof in den vergangenen Jahren entwickelt hat und verwies dabei insbesondere auf die Schwierigkeiten des Erhalts und der Rentabilität eines kleinen, ökologischen Landwirtschaftsbetriebs. Zur Muttertierhaltung und dem Obst- und Gemüseanbau kam deshalb als weiteres Standbein vor einigen Jahren die „Mühlenbrennerei“ dazu.

Ein Teil der Felder des Inselhof Dietzenrode werden mittlerweile von Tim Engler und Leon Schleep bewirtschaftet. Die beiden gründeten 2019 die Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) „Gemüseinsel“. Bei diesem landwirtschaftlichen Vermarktungskonzept werden die Erträge nicht einzeln weiterverkauft, sondern unter den Mitgliedern der SoLaWi aufgeteilt. Dies bietet nicht nur große Planungssicherheit, sondern zielt auch darauf ab, die Menschen wieder in einen engeren Kontakt mit den Lebensmitteln zu bringen, die direkt vor Ort produziert werden. Darüber hinaus werden auch hier regionale Wirtschaftskreisläufe und Wertschöpfungsketten gestärkt.

Im anschließenden Austausch zu den unterschiedlichen Projekten wurden einige zentrale Aspekte herausgestellt, mit denen sich die Initiativen in ihrer Arbeit auseinandersetzen. Zum einen, dass die umfassende Finanzierung von Projekten ein prinzipielles Problem darstellt. Zum anderen wurde darauf verwiesen, dass die Zusammenarbeit mit Ämtern und Behörden oft die größten Hürden für die unterschiedlichen Initiativen mit sich bringt. In diesem Zusammenhang forderte Frank Emrich: „Wir brauchen mehr Mut für das, was wir tun. Dies gilt für alle Beteiligten, egal ob Investoren, Ämter oder die Politik. Eine vielversprechende Idee, um innovative Projekte voranzutreiben und zu ermöglichen wäre es daher, Öffnungs- und Experimentierklauseln zu schaffen. So können neue Ideen und Ansätze entstehen, ohne gleich das ganze Regelwerk zu ändern.“ In Bezug auf die Finanzierung von Projekten plädierte Klaus Römhild zudem für eine stärkere Förderung von Pilotprojekten. „Durch eine intensivere Förderung von Pilotprojekten, entstehen Freiraum dafür auch mal Fehler zu begehen, da das Risiko von Mehrkosten gedeckt ist. Werden diese Erfahrungen und das Wissen im Anschluss geteilt, können Projekte an anderen Orten auch leichter adaptiert werden.“

Auch die Frage des demographischen Wandels und nach den Beweggründen junger Leute aufs Land zu ziehen, spielte in der abschließenden Debatte eine wichtige Rolle. „Ich glaube die Leute ziehen auf’s Land, weil sie dort ihre Lebensträume verwirklichen wollen, weil sie den Raum haben, um sich einzubringen und etwas zu verändern. Das zeigen die heute vorgestellten Projekte. Es ist wichtig, nicht nur von günstigem Wohnraum zu sprechen, weshalb es die Menschen wieder auf’s Land zieht – dahinter steht so viel mehr“, resümierte Babett Pfefferlein.

Wir bedanken uns herzlich bei Frank Emrich, Klaus Römhild, Karin Weng, Tamira Zöller sowie Tim Engler und Leon Schleep für die interessanten Einblicke, bei Babett Pfefferlein für die Moderation und natürlich bei allen Teilnehmer*innen für die anregende, konstruktive und spannende Debatte.



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